Rustikale Tradition – Alexander Rischer, Frank Hesse zu Ausstellungen Übersicht

Rustikale Tradition
Alexander Rischer, Frank Hesse
03.04. – 26.04. 2008, Opening 03.04.2008 at 7 pm

„Was aber, wenn empirisches Wissen zu einer gegebenen Zeit und innerhalb einer gegebenen Kultur ‚wirklich‘ eine wohldefinierte Regelmäßigkeit besäße?“
(Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Vorwort zur deutschen Ausgabe, Frankfurt 1971, S. 9)

Die spekulative Frage nach dem Stellenwert des Überlieferten jenseits des historischen Mainstreams kennzeichnet die Arbeit der beiden Künstler Alexander Rischer und Frank Hesse, die beide an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg studiert haben und nun im Projektraum „Hermes und der Pfau“ zum ersten Mal gemeinsam ausstellen. Den allegorischen Pfad, den die beiden Künstler für „Rustikale Tradition“ anhand von Materialien erarbeiten, die jeweils knapp außerhalb des Kunstkontextes liegen, handelt von abgelegenen Geschichten und fremden Lebenswelten, die jedoch stets einen gewissen Sinn fürs Groteske in sich bergen. Wie der Titel der Ausstellung, der einer Kampagne zur Rehabilitierung von Schrankwänden der „Hermes und der Pfau“ die Räumlichkeiten zur Verfügung stellenden Werbeagentur Dorten entnommen ist, schon andeutet, bevorzugen die beiden Künstler eine Vorgehensweise, die auf dem schmalen Grat zwischen wissenschaftlich-präziser Untersuchung und freier assoziativer Recherche angesiedelt ist. Die in den Werken von Alexander Rischer und Frank Hesse erzählten Geschichten ergeben eine ganz eigentümliche, eher literarisch als analytisch verknüpfte Form der Geschichtsforschung, die ihr Augenmerk auf die in der klassischen Kunst- und Kulturgeschichte eher vernachlässigten Deutungskontexte des Randständigen und Provinziellen legt.

In seinem Video „Florenz – Von Santa Croce zum Kunsthistorischen Institut“ untersucht Frank Hesse das so genannte „Stendhal-Syndrom“, ein durch Herzrasen, Schwindel und Ohnmachtsgefühl gekennzeichnetes Phänomen, das laut der italienischen Psychologin Graziella Magherini durch ein Übermaß an Kunst und Schönheit hervorgerufen wird. Benannt ist dieses vor allem bei Amerikanern, Engländern und Deutschen auftretende Krankheitsbild (Italiener scheinen davon nicht betroffen zu sein) nach dem französischen Schriftsteller Stendhal, der 1817 die bei ihm beim Besuch der besonders prächtig mit Grabmälern und Wandfresken ausgestatteten Florentiner Kirche Santa Croce auftretenden Symptome in den Aufzeichnungen seiner Reise durch Italien mit den Worten beschreibt: „Als ich die Kirche Santa Croce verließ, klopfte mir das Herz. Mein Lebensquell war versiegt, und ich fürchtete ohnmächtig zu werden.“ (Stendhal: „Rom, Neapel und Florenz“, 1817). Kleinarchitekturen wie Flurdenkmale, Taubenhäuser und Totenleuchten, deren Funktion meist in Vergessenheit geraten ist und die von den Touristenströmen kaum beachtet werden, sind hingegen die Motive, die Alexander Rischer auf ausgedehnten Reisen quer durch Europa in analoger Scharzweiss-Fotografie dokumentiert. Die in freier Kombinatorik präsentierten Fotografien, die den geheimnisvollen Reiz abstruser Storys und ungeahnter stilgeschichtlicher Zusammenhänge in sich tragen, lenken den Blick auf unscheinbare Objekte, die wie das Hinterhäuschen, in dem sich Hermes und der Pfau befindet, die historischen und topologischen Besonderheiten eines Ortes als Überrest und Ruine in sich bewahren.

Frank Hesse ist 1970 in Stuttgart geboren, hat 1995 bis 2003 an der HfbK in Hamburg studiert und arbeitet zur Zeit als Gastdozent des Studienbereichs Bildende Kunst an der Zürcher Hochschule der Künste. Ausstellungen umfassen „Korrespondenzen. Kunst und Literatur, Enzyklopädien und Deklinationen“ in der Galerie der Stadt Sindelfingen, „Mapping the City“ im Stedelijk Museum Amsterdam, „Say it isn’t so“, Neues Museum Weserburg in Bremen und „My Dear Beneficiary“ (Solo) im Palais für aktuelle Kunst in Glückstadt.

Alexander Rischer ist 1968 in Hamburg geboren, hat 1989 bis 1997 an der HfbK in Hamburg studiert, wo er bis heute lebt und arbeitet. Aktuell sind seine Arbeiten in der Ausstellung „Caput Corvi“ im Kunstverein Hildesheim (Solo) zu sehen. Weitere Ausstellungen umfassen den White Space in Zürich, die Galerie Dursewitz-Sapre in Hamburg, die Galerie für Landschaftskunst in Hamburg und die Sammlung Schürmann in der SK-Stiftung in Köln.
Frank Hesse und Alexander Rischer werden vertreten von der
Galerie Adamski, Aachen/Berlin.


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